„Schutz und Rettung von Menschen“ – BBK-Projekt in Tunesien erfolgreich abgeschlossen

09.01.2014 16:00

Aus Mitteln des Auswärtigen Amtes hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) im Rahmen der „Transformationspartnerschaft“ über 14 Monate Pilotprojekte zur Stärkung des Katastrophenschutzes in Tunesien durchgeführt. Durch Projekte dieser Art beabsichtigt die Bundesregierung eine konkrete und nachhaltige Stärkung der Selbsthilfefähigkeit in Tunesien.

Die gesamte Fahrzeugflotte auf dem Gelände des ONPC im Überblick Die gesamte Fahrzeugflotte auf dem Gelände des ONPC im Überblick, BBK-Projektabschluss Tunesien (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster)Die ge­sam­te Fahr­zeug­flot­te auf dem Ge­län­de des ONPC im Über­blick Quelle: BBK

Ziel des BBK-Projekts „Schutz und Rettung von Menschen“ war vor allem die Ausbildung und Ausstattung von Akteuren der Nationalen Zivilschutzbehörde Tunesiens (Office National de la Protection Civile (ONPC)). Damit wird sowohl die Entwicklung und Einbindung von ehrenamtlichen Kräften gefördert und unterstützt als auch ein Wissenstransfer für das professionelle Krisenmanagement auf administrativ-organisatorischer und operativ-taktischer Ebene erreicht.

BBK-Präsident Christoph Unger und Dirk Kaltheier von der Berufsfeuerwehr Frankfurt bei der Fahrzeugübergabe in Tunesien BBK-Präsident Christoph Unger und Dirk Kaltheier von der Berufsfeuerwehr Frankfurt bei der Fahrzeugübergabe in Tunesien, BBK-Projektabschluss Tunesien (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster)BBK-Prä­si­dent Chri­stoph Un­ger und Dirk Kalt­hei­er von der Be­rufs­feu­er­wehr Frank­furt (in der Mit­te des Bil­des) er­läu­tern die Funk­tio­na­li­tä­ten der Fahr­zeu­ge Quelle: BBK

Am 19. Dezember 2013 fand das Projekt in Tunis seinen vorläufigen Abschluss: Christoph Unger, Präsident des BBK, übergab der Nationalen Zivilschutzbehörde Tunesiens Fahrzeuge für den Zivil- und Katastrophenschutz. Zuvor hatte sich Vize-Präsident Ralph Tiesler überzeugen können, wie ein tunesischer Krisenstab die durch die Krisenmanagement-Ausbildung des BBK vermittelten Kenntnisse in einer Stabsrahmenübung erfolgreich umsetzte.

Zur Abschlusszeremonie, die im Hauptsitz des ONPC in Tunis stattfand, waren neben Vertretern des BBK Verantwortliche des deutschen und tunesischen Innenministeriums, des Technischen Hilfswerks, der Berufsfeuerwehr Frankfurt am Main, der Gesandte der deutschen Botschaft Tunis sowie zahlreiche Medienvertreter gekommen. Alle Anwesenden waren von der eindrucksvollen Fahrzeugflotte begeistert, die BBK-Präsident Christoph Unger an ONPC-Generaldirektor Chokri Ben Jannet übergab. Die Fahrzeuge werden in El Kef und Sfax eingesetzt, um den dortigen Katastrophenschutz zur Rettung von Menschen zu stärken.

Während des gemeinsamen Gespräches mit BBK-Präsident Unger unterstrich der tunesische Innenminister, Lotfi Ben Jeddou, die Bedeutung der bisherigen Projekterfolge im Bereich Ausbildung und beschaffter Ausstattungshilfe und begrüßte eine Fortsetzung des Projekts im Rahmen der Transformationspartnerschaft, um die tunesische Bevölkerung noch besser schützen zu können.

Zwei Pilotstandorte waren zu Projektbeginn von tunesischer Seite festgelegt worden:

Der Standort El Kef, der sich in einer Bergregion im Westen des Landes befindet, besitzt die Zuständigkeit für die Gefahrenabwehr im gesamten Gouvernement. Der Standort dient während der Waldbrandsaison als landesweites Ausbildungszentrum für die Waldbrandbekämpfung. Besondere Risiken im Einzugsbereich sind Waldbrände, Hangrutschungen, Überschwemmungen und Unfälle auf den Transportwegen.

Der am Mittelmeer gelegene zweite Standort Sfax besitzt die Zuständigkeit für die Gefahrenabwehr im gesamten gleichnamigen Gouvernement. Die Hafen- und Industriestadt ist eine der bedeutsamsten Wirtschaftsstandorte des Landes und nach Tunis die zweitgrößte Stadt Tunesiens. Zum Zuständigkeitsbereich gehören ebenfalls die vorgelagerten Kerkenna-Inseln. Im Einzugsbereich bestehen Risiken durch Brände, Explosionen und Unfälle sowohl im industriellen als auch im städtischen Bereich. Hinzu kommt ein Risiko im Umgang mit gefährlichen Stoffen und Gütern sowie Überschwemmungen und Unfälle im Verkehrsbereich. Der Personalmangel im hauptamtlichen Bereich und das Fehlen organisierter ehrenamtlicher Strukturen im Bereich des Bevölkerungsschutzes erschwert zudem eine flächendeckende Vorhaltung an Rettungsmitteln.

BBK-Präsident Christoph Unger mit Vertretern der deutschen Delegation und tunesischen Einsatzkräften bei der Fahrzeugübergabe BBK-Präsident Christoph Unger mit Vertretern der deutschen Delegation und tunesischen Einsatzkräften bei der Fahrzeugübergabe, BBK-Projektabschluss Tunesien (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster)BBK-Prä­si­dent Chri­stoph Un­ger mit Ver­tre­tern der deut­schen De­le­ga­ti­on und tu­ne­si­schen Ein­satz­kräf­ten bei der Fahr­zeug­über­ga­be Quelle: BBK

Bei Erkundungsmissionen vor Ort wurde an beiden Standorten ein Bedarf an Ausstattung, Einsatzfahrzeugen – hierbei insbesondere auch Fahrzeuge zur Notfallrettung, technischer Ausrüstung sowie Mitteln für die Waldbrandbekämpfung – und Ausbildungsunterstützung festgestellt.

Teilprojekt 1 – Krisenmanagementausbildung

Am 12. Dezember 2013 trafen sich Vertreter des ONPC, des BBK und Mitglieder des realen Krisenstabs aus Sfax zu einer gemeinsamen abschließenden Stabsrahmenübung.

Die Verantwortlichen des Gouvernement Sfax stellten sich dabei der Herausforderung, in einer Stabsübung die Auswirkungen eines fiktiven Szenarios zu bewältigen. Ein mutiges Unterfangen, da diese Übung unter Beobachtung zahlreicher Medienvertreter, des Generaldirektors des ONPC Chokri Ben Jannet und BBK-Vizepräsident Ralph Tiesler stattfand.

Unter der Leitung des Gouverneurs Samir Rouweihim bearbeiteten Verantwortliche aller Ressorts aus dem Gouvernement das Szenario: eine Explosion in einem Chemiewerk im Hafen. Die angenommenen Auswirkungen des Ereignisses sind beträchtlich. Eine giftige Wolke bewegt sich auf bewohnte Gebiete der Großstadt zu.

Der Krisenstab brillierte. Schnelle Entscheidungen und Berücksichtigung aller Ressortmeinungen waren das Ergebnis einer guten Krisenstabsarbeit. So war die Übungslage schnell im Griff.

Was aber ist das „Neue“ an dieser Form der Krisenbewältigung? Der rechtliche Rahmen sieht in Tunesien gemeinsame Krisenstäbe auf nationaler Ebene und auf Ebene des Gouvernements vor und damit auch ressortübergreifende Entscheidungsfindung. Neu ist der Geist, Methoden anzunehmen, um institutionalisiert gemeinsam über alle Ressorts hinweg Entscheidungen zu treffen. Neu ist auch die auf hoher administrativer und politischer Ebene eingeführte Übungskultur.

In acht jeweils wöchentlichen Workshops wurde im Vorfeld gemeinsam mit hochrangigen Ausbildern des ONPC ein Konzept erarbeitet, um, wie oben beschrieben, Stäbe im Krisenmanagement zu trainieren. Dabei standen in Deutschland erprobte Methoden, wie zum Beispiel Methoden zur Entscheidungsfindung, im Vordergrund. Diese wurden in langen Diskussionen dem tunesischen System angepasst. Rechtliche und kulturelle Aspekte mussten berücksichtigt werden. Insgesamt wurde im Bereich der Ausbildung ein Konzept erarbeitet, in dem sich Ausbildungspläne, Übungsszenarien und Ausstattungshinweise für Stabsräume wiederfinden.

Die ausgebildeten ONPC-Multiplikatoren stammen aus verschiedenen Gouvernements Tunesiens. Nun sind sie Botschafter der neuen Methoden. Es liegt an ihrem Geschick und am Geschick der Verantwortlichen des ONPC, das Erarbeitete in Tunesien zu verbreiten.

Teilprojekt 2 – Ausstattungshilfe

Die Ausstattungshilfe mit Fahrzeugen und Ausrüstung dient dazu, den Grundschutz von Feuerwehr und Rettungsdienst zu verbessern. Bei der Ausstattungshilfe für den Standort El Kef handelt es sich um ein Großtanklöschfahrzeug GTLF 5000 mit einem Löschwassertankinhalt von 5.000 Litern sowie spezialisierter Ausrüstung für die Waldbrandbekämpfung, die neuesten internationalen Einsatzstandards entspricht. Weiterhin wurden drei Pick-ups für die Brandbekämpfung im unwegsamen Gelände übergeben, die im Verbund agieren sollen. Für den Rettungsdienst wurde zusätzlich ein Krankentransportwagen beschafft.

Sfax wurde mit einem Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug HLF 10 inklusive Beladung für Brandbekämpfung, technische Hilfeleistung und Gefahrguteinsätze ausgestattet. Auch hier wurde ein Krankentransportwagen stationiert, da bisher für das Stadtgebiet mit ca. 300.000 Einwohnern nur ein in die Jahre gekommener Rettungswagen des ONPC vorhanden war.

Tunesischer Innenminister Lotfi Ben Jeddou und BBK-Präsident Christoph Unger im Gespräch Tunesischer Innenminister Lotfi Ben Jeddou und BBK-Präsident Christoph Unger im Gespräch, BBK-Projektabschluss Tunesien (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster)Tu­ne­si­scher In­nen­mi­nis­ter Lot­fi Ben Jed­dou und BBK-Prä­si­dent Chri­stoph Un­ger im Ge­spräch Quelle: BBK

Das Ausstattungskonzept für die beiden Pilotstandorte wurde in enger Zusammenarbeit mit Angehörigen der Berufsfeuerwehr der Stadt Frankfurt am Main, die dem BBK als Projektpartner zur Seite standen, erarbeitet. Maßnahmen und Beschaffung orientierten sich an den lokalen Gegebenheiten und Bedürfnissen des tunesischen Zivilschutzes. Insbesondere mussten französische Standards beachtet werden, da in Tunesien zum überwiegenden Teil Ausstattung nach französischer Norm verbreitet ist, so zum Bespiel bei Kupplungssystemen und Sondersignalanlagen. Hier erwiesen sich besonders die Fachkenntnisse eines Offiziers der Pariser Feuerwehr als sehr hilfreich: Romain Kimmel absolvierte im BBK ein zweimonatiges Praktikum im Rahmen des deutsch-französischen Master-Studiengangs MEGA. Die Projektarbeit des BBK wurde zudem umfänglich vom Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern unterstützt.

Nach Tunesien wurden die Fahrzeuge auf dem Seeweg von Antwerpen aus verschifft. Drei Pick-ups mussten dabei kurzfristig auf dem Landweg nach Salerno/Italien zur Überführung nach Tunis verbracht werden, da Lieferverzögerungen eine rechtzeitige Verschiffung ab Antwerpen innerhalb der Projektlaufzeit verhindert hatten. Zusätzlich erschwerten Streiks im Hafenbereich die Warenabfertigung der Ausstattungshilfe. Engagement des BBK war auch vor Ort notwendig, um die logistischen Abläufe und den Transfer der Fahrzeuge erfolgreich abzuschließen.

Die Fahrzeuge wurden von den tunesischen Kollegen mit großer Begeisterung in Empfang genommen. Bei der Einweisung durch die Feuerwehr Frankfurt und das BBK wurde ihnen sehr deutlich, welchen hohen taktischen Einsatzwert die gelieferte Ausrüstung besitzt. Gemeinsam mit ONPC-Multiplikatoren wurde die Handhabung der Einsatzmittel geübt.

Parallel zur Beschaffung wurden durch den tunesischen Projektpartner freiwillige Kräfte für den Zivil- und Katastrophenschutz gewonnen und ausgebildet, die langfristig zusammen mit den Hauptamtlichen die übergebenen Fahrzeuge im Einsatzfall besetzen sollen. Das ehrenamtliche Engagement stößt insbesondere bei der jüngeren Bevölkerung auf großes Interesse, da durch die Ausbildungsabschnitte Retten, Löschen und Bergen zusätzliche Qualifikationen erworben werden, die sich bei der späteren Berufssuche als vorteilhaft erweisen können.

Fahrzeuge und Ausrüstung ergänzen die lokalen Strukturen bestmöglich, fügen sich nahtlos in diese ein und leisten einen wertvollen Beitrag zur Verzahnung des hauptamtlichen und ehrenamtlichen Engagements, da ohne ausreichende Ausstattung der hauptamtlichen Einsatzkräfte ein ergänzendes Engagement von Ehrenamtlichen nur schwer möglich ist. Ein Hauptaugenmerk für das Jahr 2014 ist für den tunesischen Projektpartner, die neu gewonnen Freiwilligen an der Ausrüstung auszubilden und für den Einsatzdienst vorzubereiten.

In einem gemeinsamen Workshop im April 2014 soll der Einsatzwert der Ausstattung im Sinne der Nachhaltigkeit evaluiert und ein Erfahrungsaustausch durchgeführt werden. Hierbei soll u.a. festgestellt werden, ob die hauptamtlichen ONPC-Multiplikatoren die gewonnen Erkenntnisse und Erfahrungen an die ehrenamtlichen Kräfte weitergeben konnten.

 

Quelle: Text und Fotos mit freundlicher Genehmigung vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)

 

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